Unabhängig und frei
Unabhängig von einem Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK) zu einer Beschwerde wegen unfairer Werbung kann der Beschwerdeführer den gleichen Tatbestand vor einem ordentlichen Gericht zivil- oder strafrechtlich geltend machen. Die Selbstregulierungsorganisation der Kommunikationswirtschaft ist unabhängig und behandelt eine Beschwerde auch dann, wenn der gleiche Fall zuvor bereits von einem Gericht beurteilt worden ist.
Sowohl die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland wie die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität Thurgau hatten zwei Strafverfahren wegen Verstosses gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht anhand genommen. Zum einen, da der Strafantragsteller nicht berechtigt gewesen sei, «sich wegen unlauteren Verhaltens nach Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG zu wehren», zum andern, da nach Auffassung der urteilenden Instanzen die «Voraussetzungen für die Eröffnung einer Untersuchung (…) nicht gegeben» waren. Der Kläger hat sich davon nicht abschrecken lassen und in beiden Fällen Beschwerde bei der Lauterkeitskommission eingereicht.
Entscheid trotz Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft
Die Schweizerische Lauterkeitskommission beurteilt Massnahmen der kommerziellen Kommunikation unabhängig und frei. Das bedeutet, dass die SLK auch Fälle beurteilt, die zuvor Gegenstand eines Strafverfahrens waren und ohne materiellen Entscheid abgeschlossen worden sind. Die von den Beschwerdegegner/innen vorgelegten Nichtanhandnahmeverfügungen hinderten die Lauterkeitskommission daher nicht, auf die Beschwerden einzutreten und die Angelegenheit ihrerseits materiell zu beurteilen.
Notwendige Voraussetzungen für zulässige E-Mail-Werbung
In beiden Fällen ging es darum, dass der Werbeauftraggeber dem Beschwerdeführer E-Mail-Werbung zugesandt und dabei zumindest eine der dafür kumulativ notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG handelt unlauter, wer jemandem fernmeldetechnisch Massenwerbung zusendet, zu dem er weder eine bestehende Kundenbeziehung unterhält, noch von ihm zuvor eine Einwilligung eingeholt hat. Zudem darf nicht vergessen werden, einen korrekten Absender anzugeben und eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit anzubieten. Wer diese an sich einfachen Voraussetzungen erfüllt, handelt lauterkeitsmässig korrekt.
Fast alles richtig gemacht
Ein Versicherungsunternehmen beachtete alle oben genannten Voraussetzungen. Der Kunde hatte bei Vertragsabschluss sogar eingewilligt, dass seine Daten für Marketingzwecke genutzt werden dürfen. Trotzdem handelte die Versicherung unlauter. Zum einen bewarb sie keine eigenen Produkte oder Dienstleistungen, sondern diejenigen von Drittanbietern; dafür hatte der Kunden keine Einwilligung erteilt. Anderseits ist eine solche Einwilligung nach Auffassung der Lauterkeitskommission kein Freibrief. Wenn die Versicherung einem Kunden einen Newsletter oder sonstige Massenwerbung zusenden will, ist dafür vorgängig seine explizite Zustimmung notwendig – ein sogenanntes Opt-in. Eine allgemeine Einwilligung zur Nutzung für Marketingzwecke erfüllt diese Anforderung noch nicht.
Stopp-Werbung-Kleber und Robinson-Liste beachten
Apropos Staatsanwaltschaft und Gerichte: Wer gegen Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG verstösst, kann zudem zivil- wie strafrechtlich verfolgt werden. Handelt ein Unternehmen vorsätzlich, sieht das Gesetz Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen vor (Art. 23 UWG). Man sollte E-Mail-Werbung also nicht auf die leichte Schulter nehmen. Zudem gilt es bei anderen Formen der Direktwerbung stets die entsprechenden Hinweise wie den Stopp-Werbung-Kleber oder allfällige Einträge in die Robinson-Liste und im Telefonverzeichnis zu beachten.
Die detaillierten Begründungen zu den einzelnen Fällen finden Sie unter der in Klammern angegebenen Nummer auf www.faire-werbung.ch im Bereich «Entscheide»; die Richtlinien, nach denen die SLK die Beschwerden beurteilt, können Sie ebenfalls auf unserer Website in den «Grundsätzen» nachlesen.
Thomas Meier
Kommunikationsbeauftragter Schweizerische Lauterkeitskommission