Workshop der Schweizerischen Lauterkeitskommission und der Stadt Zürich

Kampf gegen Sexistische Werbung und seine Grenzen

Der Workshop der Lauterkeitskommission (LK) zum Thema sexistische Werbung ist auf erhebliches Interesse gestossen: Der Musiksaal im Stadthaus war jedenfalls voll, als Stadträtin Kathrin Martelli die Gäste zu den Referaten und dem anschliessenden Podiumsgespräch begrüsste. Quintessenz der Tagung: Es braucht die LK, sie muss aber noch bekannter und effizienter werden.

Stadträtin Kathrin Martelli

Jan Fager vom schwedischen Ethikrat

 

Jan Fager vom schwedischen Ethikrat staunte nicht schlecht, als ihn Nationalrätin Pascale Bruderer, auf Schwedisch begrüsste. Die Präsidentin der Lauterkeitskommission hatte ein Jahr in Skandinavien gelebt und sich dort die Sprache angeeignet. Bruderer erläuterte in ihrer Einleitung zum Workshop über sexistische Werbung die Anliegen, welche sie für die Weiterentwicklung der Lauterkeitskommission für wesentlich hält. Es gelte unter anderem, die Arbeit der Kommission bekannter zu machen und vor allem auch politischen Kreisen klar zu machen, dass die LK nicht einfach eine Gruppe von Werbern sei, sondern ein Gremium von integren Spezialisten und Fachexperten. Pascale Bruderer erläuterte den von der Lauterkeitskommission vor kurzem aktualisierten Grundsatz Nr. 3.11., in welchem die sexistische Werbung normiert ist.

Stadträtin Kathrin Martelli überbrachte die Grussbotschaft des Zürcher Stadtrates. Als Hüterin des öffentlichen Raumes plädierte sie zwar für freche und extrovertierte Werbung, diese dürfe aber eine gewisse Grenze nicht überschreiten. Die entsprechende Kontrolltätigkeit funktioniere in Zürich bestens, denn sie werde persönlich nur ganz selten mit Fragen rund um sexistische Werbung konfrontiert. Kathrin Martelli bedankte sich bei der Lauterkeitskommission für ihre guten Dienste und empfahl der Werbewirtschaft einen verantwortungsvollen Umgang mit der Werbung auf Plakaten.

Der juristische Sekretär der Lauterkeitskommission, Marc Schwenninger, erläuterte anschliessend die Aufgaben und Strukturen der vor über 40 Jahren gegründeten Schweizerischen Lauterkeitskommission. Auf grosses Interesse stiess insbesondere die Präsentation einiger praktischer Fälle, welche demonstrierten, wie eng es bei der Entscheidung werden kann, ob Werbung sexistisch ist oder nicht.

Im Zusammenhang mit der Aktualisierung des Grundsatzes Nr. 3.11. hatte eine Arbeitsgruppe der LK die Fühler ins Ausland ausgestreckt und deshalb Jan Fager vom schwedischen Ethikrat nach Zürich eingeladen. Fager stellte die Situation in Schweden vor. Grundsätzlich funktioniert die Selbstkontrolle in Schweden ähnlich wie in der Schweiz, allerdings braucht es keine Beschwerde für eine Intervention, der Ethik Rat wird auch von sich aus aktiv. Das wirkt sich freilich auch quantitativ aus: Im Rekordjahr 2004 hatte das Gremium 740 Fälle zu begutachten (Schweiz jeweils ca. 300). Fager zeigte anhand diverser Beispiele, wie man das Thema in seinem Land beurteilt, dabei fiel auf, dass vor allem der Tatbestand der überholten Geschlechterrolle häufiger im Zentrum von Beschwerden steht als bei uns. Auch in Schweden ist man der Meinung, dass Selbstkontrolle besser ist als staatlicher Eingriff. Nicht zuletzt deshalb allerdings, weil wegen des verfassungsmässig verbrieften Rechts auf Meinungsäusserungsfreiheit das Grundgesetz geändert werden müsste.

Im abschliessenden Podiumsgespräch, nahmen neben Pascale Bruderer, die beiden Werber Thomas Städeli (Wirz Werbung) und Pius Walker (Walker Werbeagentur) sowie Dore Heim, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Zürich teil.

Pascale Bruderer bestätigte das grosse Knowhow der Kommission, sie betonte aber gleichzeitig, dass die LK noch zu wenig bekannt sei und deshalb ihre Tätigkeit vermehrt an die Öffentlichkeit tragen müsse. Bruderer hat auch keine Angst, die Kommission mit vermehrter Öffentlichkeitsarbeit Klagen aus der Werbewirtschaft auszusetzen. «Es wird vielleicht Erklärungsbedarf geben im einen oder anderen Fall, meinte die LK-Präsidentin, «ich bin aber überzeugt, dass es zu keinen solchen Anstössen kommt, wenn wir uns auf unsere Grundsätze und Kompetenzen stützen.» Bruderer stellte sich auf den Standpunkt, dass es keine Gesetze brauche, da eine legislatorische Regelung einige Nachteile mit sich bringen könne.

Eine politische Regelung lehnt auch der Werber Pius Walker ab, das sei gefährlich, weil man dann sehr viel verbieten müsste, denn letztlich seien die gezeigten Kampagnen mit sexistischem Inhalt lauter Beispiele für schlechte Werbung. Gemäss Walker ist es in erster Linie eine Verschwendung von Werbegeldern. Eine Vorinstanz, welche Werbung zensuriert, würde letztlich Auftraggeber davor schützen, schlechte Werbung zu publizieren, und das könne nicht die Aufgabe des Staates sein.

Dem widersprach Dore Heim, die der Meinung ist, dass es möglich sein müsse, Werbung im öffentlichen Raum zu verbieten, wo man den Bildern ausgesetzt ist. Es gebe Werbung, die ein Frauenbild transportiere, das schädlich sei. Der Staat habe die Aufgabe, die Diskriminierung eines Geschlechtes zu verhindern. Und die Stadt Zürich hat schon Mega-Poster verboten.

 Auf die Frage, wer denn für sexistische Werbung verantwortlich ist (eher die Agentur oder der Auftraggeber) meinte Thomas Städeli, dass es schon eher die Kunden sind, die Zurückhaltung üben. Letztlich wirkt sich ja auch eine allfällige Sanktion gegen Letzteren und nicht auf die Kreativen aus.

Den Vorwurf, die Lauterkeitskommission sei zahnlos, entkräftete Pascale Bruderer mit der Forderung nach mehr Transparenz über die Tätigkeit der Kommission. Sie strebt deshalb eine stärkere Zusammenarbeit mit Medien an und erwartet davon einiges.

Als absolut problematisch und bedenklich bezeichnete Dore Heim die Werbung in Bauzeitschriften. Da komme zunehmend ein unverfrorener Sexismus rüber, der sogar richtig schädlich für das Frauenbild sei.

Die Gleichstellungsbeauftragte relativierte auf der anderen Seite die Bedeutung der Werbung. Gerade junge Frauen seien dem ganzen übrigen Kanon ausgesetzt. Der «Krieg um die Schönheit werde nicht nur in der Werbung, sondern auch auf den redaktionellen Seiten geführt. Auch die Übersexualisierung findet gemäss Heim nicht nur in der Werbung, sondern ebenso in den Medien statt. Das dürfe in dieser Diskussion nicht vergessen gehen.

Abschliessend fasste Pascale Bruderer in drei Punkten die Ausrichtung der Lauterkeitskommission zusammen:

1. Es sei wichtig, dass Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden. Bruderer glaubt aber, dass dieses Thema weit über den Bereich der Werbung und der Geschlechterdiskriminierung hinausgehe.

2. Der Konfrontation mit geschlechterdiskriminierender Werbung oder Gewaltdarstellungen kann man nicht mit Verboten von Plakaten begegnen, diese finde in zahlreichen anderen Bereichen und Medien und nicht zuletzt auch in der Familie statt.

3. Betreffend Übersexualisierung stellt Bruderer fest, dass die Lauterkeitskommission keine Moralinstanz ist, ausserdem gehe man hier von total unterschiedlichen Sensibilitäten aus, welche völlig verschiedene Grenzen ausmachten. Deshalb sei die Arbeit der Lauterkeitskommission so wichtig. Mit Grundsatz Nr. 3.11. sei eine Grenze mehr oder weniger definierbar.

Piero Schäfer
Pressesprecher der Lauterkeitskommission